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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 26.11.2003
Aktenzeichen: 5 St RR 289/03
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 284 |
Tatbestand:
Der Angeklagte hatte im Wettbüro des anderweit Verfolgten S als dessen Angestellter Wetten entgegengenommen, bei denen die Wetter Geldbeträge auf den Ausgang bestimmter Sportveranstaltungen gesetzt hatten. Gesetzt werden konnte auf den Ausgang bestimmter Sportereignisse und zwar nicht nur auf Sieg, Niederlage oder Unentschieden, sondern auf ganz bestimmte Endergebnisse und sogar auf bestimmte Ereignisse während des Spiels, z.B. dass ein namentlich bezeichneter Spieler während der ersten Halbzeit ein Tor durch Freistoß erzielt. Vom Amtsgericht wurde der Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels zu einer Geldstrafe verursacht. Seine hiergegen eingelegte Sprungrevision blieb erfolglos.
Gründe:
Der Senat hat schon mehrfach unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung entschieden, dass Sportwetten, insbesondere Fußballwetten, zu festen Quoten (Oddset-Wetten) als Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB zu beurteilen sind (BayObLG Urteil vom 28.8.2003 - 5St RR 98/03; Beschluss vom 19.6.2002 - 5St RR 158/02) und gegen den Erlaubnisvorbehalt auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (Beschluss vom 18.7.2003 - 5St RR 153/03).
Er teilt ferner die Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Verwaltungsgerichte, dass auch keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die europarechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 43, 49 EG) bestehen (BGH NJW 2002, 2175/2176; BVerwG NJW 2001, 2648/2650 f; OVG NRW GewArch 2003, 164). Es ist deshalb unschädlich, dass das amtsgerichtliche Urteil keine Feststellungen darüber enthält, ob der anderweitig Verfolgte S über eine Zulassung in Österreich verfügte.
Die europa- und die verfassungsrechtlichen Vorgaben sind im Prinzip die Gleichen. Zwar können Beschränkungen der Zulassung des Glücksspiels einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit darstellen, es liegt aber grundsätzlich im Ermessen der nationalen Instanzen und Gerichte, Beschränkungen der Zulassung, soweit sie keine Diskriminierung darstellen, vorzunehmen und zu beurteilen, ob diese aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (EuGH Urteil vom 21.19.1999 - Rechtssache Zenatti C-67/98 Rn. 28 f, 33). Beschränkungen sind insbesondere zulässig, wenn sie durch Ziele der Sozialpolitik, nämlich der Beschränkung der schädlichen Wirkungen solcher Aktivitäten, gerechtfertigt sind, soweit sie sich nicht als unverhältnismäßig darstellen (EuGH aaO Rn. 38).
Eine Änderung dieser Rechtsprechung ist bisher nicht erfolgt, auch nicht in der Rechtssache Gambelli (EuGH Urteil vom 6.11.2003 C-243/01). Abgesehen davon, dass der dem EuGH vorgelegte Fall einen etwas anderen Sachverhalt betraf, hat der Gerichtshof an den Grundsätzen der Vorentscheidungen (insbesondere in der Rechtssache Zenatti) festgehalten und lediglich zusätzlich angemerkt, dass die Berufung auf die öffentliche Sozialordnung (Notwendigkeit, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern) nicht möglich sei, soweit die Behörden eines Mitgliedsstaates die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern an ... Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen (EuGH aaO Rn. 69). Er hat entschieden, dass eine nationale Regelung, die - strafbewehrte - Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisse enthält, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Art. 43 EG und 49 EG darstellt, wenn der betreffende Mitgliedsstaat keine Konzession oder Genehmigung erteilt. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob eine solche Regelung angesichts ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten tatsächlich den Zielen Rechnung trägt, die sie rechtfertigen könnten, und ob die mit ihr auferlegten Beschränkungen nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen stehen (Rn. 62 ff.). Soweit der Gerichtshof ausführt, dass fiskalische Interessen nur eine Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein dürfen, hat die Revision zwar behauptet, aber durch keinerlei Tatsachen belegt, dass die Erzielung von Einnahmen für den Staatshaushalt der eigentliche Sinn der staatlichen Beschränkung sei. Für eine solche Annahme bieten weder die Gesetzesmaterialien noch die bisherige Handhabung der Veranstaltung von Oddset-Wetten Anlass. Den vom Europäischen Gerichtshof als zulässige Ziele angeführten Zwecken dient auch das vom bayerischen Landesgesetzgeber erlassene Staatslotteriegesetz vom 29.4.1999, das die Veranstaltung von Sportwetten dem Freistaat Bayern zuweist, die Durchführung der staatlichen Lotterieverwaltung überträgt (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 Staatslotteriegesetz) und damit private Veranstalter ausschließt. "Sinn des Gesetzes ist es, dem Wunsch der Bevölkerung nach Spielmöglichkeiten nachzugeben, gleichzeitig aber die damit verbundenen Gefahren (Spielsucht und ihre negativen Auswirkungen wie Zerstörung der Lebensgrundlage und Beschaffungskriminalität, Manipulation, Betrug, Geldwäsche und nicht ordnungsgemäße Gewinnauszahlung durch unlautere private Glücksspielveranstalter etc.) möglichst gering zu halten. Als staatlicher Betrieb gewährleistet die staatliche Lotterieverwaltung eine manipulationsfreie und zuverlässige Durchführung der Glücksspiele ohne eigenes Gewinnstreben. Gleichzeitig kann so sichergestellt werden, dass der gesamte Reingewinn aus den Glückspielen der Allgemeinheit zu Gute kommt" (vgl. Landtagsdrucksache 14/219 S. 5; BayVGH Beschluss vom 5.8.2003 Gz.: 24 Cs 03.1605 S. 11).
Nach Auffassung des Senats steht dem auch nicht entgegen, dass die staatlichen Lottogesellschaften insbesondere in Sportsendungen auch Werbung für Oddset-Wetten machen. Dies dient nicht der Gewinnmaximierung, sondern der Kanalisierung des bestehenden Spielbedürfnisses in der Bevölkerung (vgl. dazu EuGH - Rechtssache Zenatti Rn. 35) und dem Abzug der Wetter von nicht näher kontrollierbaren privaten Veranstaltern, denen in den sog. neuen Bundesländern in Bestandskraft erwachsene Gewerbeerlaubnisse - ungeachtet ihrer Rechtswidrigkeit - erteilt worden waren (ThürOVG GewArch 2000, 118 f). Infolge des Fehlens eigenen Gewinnstrebens kann dies zur Eindämmung des Spieltriebs auf lange Sicht beitragen (vgl. BayVGH aaO).
Ende der Entscheidung
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